Biphasischer Druckaufbau

Holtzmann, Michael
Leben, Katja

Privatärztliche Ambulanz für Venenheilkunde, Stuttgart
Dr. Michael Holtzmann
Leitender Arzt
Dr. Katja Leben
Oberärztin
Privatärztliche Ambulanz für Venenheilkunde
Königstraße 4
70173 Stuttgart
Tel: 0711/ 2262201, Fax: 0711/ 2262209
dr.holtzmann@gmail.com
katja.leben@thieme.de

Spezifischer biphasischer Druckaufbau unter nicht nachgiebigen Kompressionsverbänden beim intensiven Gehen

Holtzmann, Michael
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Spezifischer biphasischer Druckaufbau unter nicht nachgiebigen Kompressionsverbänden beim intensiven Gehen

Zusammenfassung

110 Jahre nach Heinrich Fischers Veröffentlichung “Eine neue Therapie der Phlebitis” (7) möchten wir Daten aus unseren mobilen Grenzflächen-Druckmessungen unter nicht nachgiebigen Fischer-Verbänden veröffentlichen. Wir zeigen die biologisch physikalischen Gesetzmäßigkeiten auf, die über das Phänomen des biphasischen Druckaufbaus für die deutlich höheren Arbeitsdruckwerte unter nicht nachgiebigen Materialien im Vergleich zu nachgiebigen Kompressionsmedien beim schnellen und ausgedehnten Gehen verantwortlich sind.

Wir verwendeten das von der Universitäts-Hautklinik Tübingen in Zusammenarbeit mit dem MIPM 1996 entwickelte Kompressionsdruck-Messsystem MCDI-1 (20) in der Spezialversion PIVI. Es arbeitet mit einem piezoresistiven Sensor. Darüber modellierten wir einen fixierten nicht nachgiebigen Unterschenkelkompressionsverband nach Heinrich Fischer (18). Die Gehstreckenlänge betrug 2 km, die Gehgeschwindigkeit 5,5 km/h. Die auf dem Handydisplay wiedergegebenen Einzelwerte wurden mit einer Digitalkamera gefilmt und danach zur Auswertung in Super-Slow-Motion ausgelesen. Dasselbe Verfahren durchlief ein Kompressionsstrumpf der Kompressionsklasse 2 (KKL 2).

Bis zu einer Gehstreckendistanz von ca. 300 m liegen Fischer-Verband und Kompressionsstrumpf (KKL 2) mit intermittierenden Druckamplitudenspitzen von 80 mmHg gleichauf. Danach entwickelt sich die Phase 2 des biphasischen Druckanstiegs unter dem nicht elastischen Verband: Die Druckamplitudenspitzen steigen kontinuierlich weiter an, bis nach ca. 800 m ein Plateau mit einem durchschnittlichen Spitzendruck von 200 mmHg erreicht wird. Die Druckspitzendauer beträgt <1/10 s.

Drei Kraftquellen sind an der Druckgenese bei der Kompressionstherapie beteiligt:

1. der externe Anpressdruck des Kompressionsmediums, 2. die interne Kraft aus der Filament-Gleit-Schwellung der kontrahierenden Muskulatur, 3. die interne Kraft aus der zeitverzögert einsetzenden belastungsabhängigen vaskulär-metabolischen Pumpeffekt-Schwellung der Muskulatur. Sie ist verantwortlich für das spezifische Phänomen des biphasischen Druckanstiegs unter nicht nachgiebigen Kompressionsmedien.

Der Anpressdruck (Anlagedruck) des Kompressionsmediums wirkt bei der nachgiebigen und nicht nachgiebigen Kompressionstherapie gleichermaßen. Die beiden internen Kraftquellen (Filament-Gleit-Schwellung und Pumpeffekt-Schwellung) summieren sich und entfalten nach Gehstrecken größer 800 m biphasisch eine Kraft, die je nach Steifheit des nicht nachgiebigen Materials im Binnenraum unter dem Verband (für < 1/10 s) vollständig in Druckkraft übergeht. Unter einer nachgiebigen Kompression verpufft diese Energie zum größten Teil in der Elastizität des textilen Materials. Beim schnellen und ausgedehnten Gehen entwickeln sich deshalb (biphasisch) signifikant höhere Druckamplituden als unter elastischer Kompression. Als Resümee behält der alte phlebologische Leitsatz (15) “Therapie mit nicht nachgiebigen Verbänden und einem Laufprogramm, Halten des Ergebnisses mit Kompressionsstrümpfen” weiterhin seine berechtigte Gültigkeit.

Schlüsselwörter: Arbeitsdruck, Ruhedruck, Grenzflächen-Druckmessung,
biphasische Druckentwicklung, Filament-Gleit-Schwellung, Pumpeffekt-Schwellung,
nicht nachgiebiger Kompressionsverband, nachgiebige textilelastische Kompression.

Einleitung, Problem und Zielstellung

Vor 110 Jahren erschien Heinrich Fischers Veröffentlichung “Eine neue Therapie der Phlebitis” (7), mit der er die ambulante Behandlung der Venenentzündung und Thrombose inaugurierte. Nach Zulassung der niedermolekularen Heparine (Frankreich, 1987) und einem dadurch ausgelösten Paradigmenwechsel (28) etablierte sich die ambulante Thrombosetherapie weltweit.
Heinrich Fischer verwendete nicht nachgiebige Kompression in Form eines modifizierten Zinkleimverbandes nach Unna (Unna-boot) (3, 33). Empirisch stand für ihn fest, dass nur hohe Kompressionsdrücke wirkungsvoll das tiefe Venensystem erreichen können. Diese Drücke dürfen nicht als Dauerdruck einwirken, sonst wären sie gewebeschädigend. Physikalisch ist eine Induktion intermittierender hoher Druckspitzen durch die Kombination nicht elastischer Kompressionsmaterialien mit therapeutischem Gehen möglich. Nach den Regeln der Physik müssen die von unelastischen Kompressionssystemen beim Gehen erzeugten Drücke für jeweils kurze Zeitspannen sehr hohe Amplituden erreichen.
Schon 1960 hatten van der Molen (34) und 1967 Haid (12-14) die Druckverhältnisse unter Kompressionsbandagen und Gummistrümpfen untersucht. Die damaligen technischen Möglichkeiten der Druckmessung mit Rohrfeder- oder Plattenfeder-Manometern ließen nur Druckmessungen im Stehen, Sitzen, Liegen und im Zehenstand zu. Druckmessgeräte mit federelastischen Messgliedern sind träge und liefern zu wenige Daten pro Zeiteinheit um sehr kurz auftretende relevante Druckspitzen zu registrieren. Druckmessungen über ein komprimierbares Medium wie Luft, angewendet bei allen pneumatisch-elektronischen Systemen, ist wissenschaftlich bedenklich. Dies gilt für die meisten auf dem Markt befindlichen Kompressionsdruck-Erfassungssysteme (Kikuhime®, SIGaT-Tester®, Picopress®, Pliance X®) (27, 29).
1996 entwickelte die Universitäts-Hautklinik Tübingen in Zusammenarbeit mit dem MIPM (Mammendorfer Institut für Physik und Medizin GmbH, Mammendorf) das mobile Mikrosonden System MCDM-1 (20). Es arbeitet mit einem piezoresistiven Sensor. Die Datensammelfrequenz der Mikrosonde liegt mit 100 Hertz ausgesprochen hoch und ermöglicht damit eine optimale Messgenauigkeit auch bei sehr raschen dynamischen Bewegungsabläufen, was technisch bis dato nicht darstellbar war.
Mit diesem System wurde es nunmehr möglich, die theoretisch von uns erwarteten hohen Arbeitsdruckspitzen unter nicht nachgiebigen Verbandsmaterialien in vivo und mobil zu erfassen und mit den Arbeitsdruckspitzen unter nachgiebigen Kompressionsmedien zu vergleichen. Der einzige Nachteil des MCDM-1 war sein im fünfstelligen Bereich gelegener Anschaffungspreis. Jedoch war der Vorteil für mobile In-vivo-Messungen gegenüber anderen pneumatisch-elektronischen Systemen (4) derart überzeugend, dass wir das MCDM-I in der Spezialversion PIWI erwarben und bis heute einsetzen.
Neuere Vergleichsarbeiten (5) von piezoresistiven Sensoren zu pneumatisch-elektronischen Systemen bestätigen unsere Wahl. Moderne, kostengünstige (8 $) piezoresistive Sensoren wie Peratech QTCTM, Interlink FSR®, Sensitronics®, Tactilus®, Takscan Flexiforce® jeweils mit Bluetooth- Datenübertragungsoption ausgestattet, werden wohl in der Zukunft die Drucksensoren der ersten Wahl sein (27).

Ziel dieser Arbeit ist es, die Potenz der unelastischen Kompression anhand überprüfbarer und reproduzierbarer Messwerte zu demonstrieren und die physikalischen Besonderheiten, die zu der bemerkenswerten spezifischen biphasischen Druckentfaltung führen, aufzuzeigen.

Material und Methoden

Druckmesssystem: Die mobilen Messreihen wurden mit dem Druckmesssystem MCDM-I in der Spezialversion PIVI (Herst.: MIPM) durchgeführt (Abb.1).

Abb. 1: Druckmesssystem MCDM-1, Version PIVI

Abb. 2: Piezoresistive Mikro-Messsonde (MCDM-1)

Dieses System wurde speziell zur mobilen Erfassung der Kompressionsdrücke unter Kompressionsstrümpfen und Verbänden entwickelt. Die ersten Messreihen unter dem Zinkleimverband nach Heinrich Fischer zeigten nach einer Gehstrecke von 800 m so hohe Arbeitsdruckspitzen, dass das Maximum des Messbereichs von 200 mmHg auf 400 mmHg durch den Hersteller erweitert werden musste. Das Druckmesssystem MCDM-1 (Version PIVI) besteht aus einer Mikrosonde mit einem Außendurchmesser von 6,2 mm, einer Dicke von 2,6 mm und einem Durchmesser des drucksensitiven Fensters von 4,2 mm. Als Druckmembran dient ein kristallines Halbleitermaterial (Abb. 2).

Der Druckaufnehmer arbeitet als Halbleiter auf piezoresistiver Basis. Die Datensammelfrequenz der Mikrosonde liegt bei 100 Hertz. So können mit optimaler Messgenauigkeit schnelle, dynamische Bewegungsabläufe erfasst werden. Der Sensor (Druckwandler) ist über ein Kabel mit einem Mikroprozessor und einer Monitoreinheit (Handy) zum Ablesen der Drücke verbunden.
Die Anzeigefrequenz im Display des Handys liegt bei vier Werten pro Sekunde. Diese 4 Hertz sind gerade noch ausreichend, um bei hohen Gehgeschwindigkeiten (5,5 km/h) die sehr kurzen Druckspitzen (< 1/10 s) aufzeigen zu können.
Die geringe Größe der Sonde verhindert eine Druckverfälschung infolge der Umfangsveränderung des Beins (22). Die Streubreite der Messwerte ist im Rahmen von +/- 2 mmHg bei Temperaturschwankungen von 10–40°C konstant. Der Mikroprozessor (8,2 cm) wurde am Probanden fixiert und über ein Low-Voltage- Computerkabel mit der Monitoreinheit 14 x 8 x 3,5 cm verbunden. Energie liefert eine integrierte 6-Volt-Blockbatterie.
Während der Messwerterhebung, d.h. beim schnellen und ausgedehnten Laufen (∅ 5,5 km/h) wurden die auf dem Display des Handys angezeigten Druckwerte mit einer Digital-Videokamera gefilmt. Zur Auswertung konnten diese Videoaufnahmen in Super-Slow-Motion wiedergegeben werden.
Die Drucksonde wurde am medialen B 1 -Maß 1 cm dorsal der Tibiakante platziert. In dieser Lokalisation wurden historisch gesehen bis heute die meisten Druckmessungen durchgeführt. Die Überprüfung der von der Mikrosonde angezeigten Druckwerte erfolgte mit einem geeichten Blutdruckmessgerät analog der “Eichmessung” der Universitäts-Hautklinik Tübingen (20). Das MCDM-1 Mikrosonden-Messsystem ist in einer Reihe von universitären Veröffentlichungen bei Kompressionsdruckmessungen zum Einsatz gekommen, sodass die Meßgenauigkeit bei dynamischen Bewegungsabläufen gut dokumentiert ist (9-11, 20, 23, 24).
Der fixierte nicht nachgiebige Unterschenkelkompressionsverband nach Heinrich Fischer setzt sich aus einer nicht nachgiebigen Zinkleimbinde und einer Kurzzugbinde zusammen (18) (Abb. 3).
Bestandteile: nicht nachgiebige Zinkleimbinden 10 m x 10 cm, Varicex® T (Lohmann & Rauscher), Binde mehrschichtig nach der Fischer-Methode anmodelliert; darüber eine Kurzzugbinde 8 cm x 5 m, Typ Rosidal® K (Lohmann & Rauscher) (17). Der Anpressdruck unter dem Unterschenkelkompressionsstrumpf der KKL 2 steigt in der stehenden und sitzenden Position auf 40 mmHg. Folglich wurde beim Anlegen der Fischer-Verbände bei sitzendem Probanden ebenfalls 40 mmHg als Anlagedruck gewählt.

Abb. 3: Anmodellierter Fischer-Verband (18).

Für die Vergleichsdruckmessungen wurde ein Unterschenkelkompressionsstrumpf der KKL 2 verwendet (Sigvaris 503, A-D 10108, Ganzoni GmbH, Memmingen, fabrikneu, Größe: medium, lang, zehenfrei).

Ergebnisse

Die ersten 300 m im Zinkleimverband (Phase 1 der Druckentwicklung) zeigten enttäuschende 80 mmHg Druckspitzen, welche der Druckentwicklung unter einem KKL 2-Strumpf entsprechen. Aber mit zunehmender Gehstrecke (Phase 2 der Druckentwicklung) stieg der Druck kontinuierlich an bis zu einem Amplituden- Plateau von durchschnittlich 200 mmHg bei jedem Schritt (Abb. 4).

Grafik 1

Die Grafik 1 zeigt die erreichten Arbeitsdruckspitzen (Mittelwerte) beim Gehen (∅ 5,5 km/h) einer Strecke von 1300 m. Biphasischer Druckanstieg unter dem Zinkleimverband. Phase 1 mit 80 mmHg Arbeitsdruckspitzen von 0 bis 300 m. Phase 2 ab 800 m mit 200 mmHg Amplitudenspitzen.

Grafik 2

Grafik 2 zeigt die Amplituden der Druckentwicklung (Druckspitzendauer < 1/10 s) bei jedem Schritt unter dem Zinkleimverband nach Heinrich Fischer in der Phase 2 der Druckentwicklung im direkten Vergleich zur Druckamplitude unter dem KKl- 2-Strumpf.
Der Fischer-Verband generiert Druckspitzen von durchschnittlich 200 mmHg für < 1/10 s in der Muskelsystole (ab einer zurückgelegten Gehstrecke > 800 m).
In der Muskeldiastole (Entspannung) fällt der Druck auf 30 mmHg, d.h. 10 mmHg unter den Anlagedruck des Verbandes. Die Druckspitzen unter dem Kompressionsstrumpf erreichen durchschnittlich 80 mmHg in der Muskelsystole (Muskelanspannung). In der Muskeldiastole fällt der Druck auf den Ruhedruck (im Stehen) zurück. Dies entspricht Messungen anderer Autoren (34).

Diskussion

Die hohen, kurzzeitigen (< 1/10 s) Druckspitzen unter der nicht nachgiebigen Kompression beim Gehen lassen sich physikalisch erklären:
Die allgemeine Definition von Druck: Druck ist ein Maß für den Widerstand, den Materie einer Verkleinerung ihres Raumes entgegensetzt. Oder einfacher: Drückt man etwas zusammen, drückt der Druck dagegen.
Der Druck in einer Flüssigkeit (Gewebe) ist überall im Behältnis (unter nicht nachgiebiger Kompression) gleich und allseitig. Er steht immer senkrecht auf einem Hindernis (17).
Die hohe intermittierende Druckentwicklung unter nicht nachgiebigen Medien begründet sich über 2 besondere physiologisch biologische Effekte.

  1. Die Filament-Gleit-Schwellung (Phase 1 der Druckentwicklung): Die Gleit-Filament-Theorie erklärt die Abläufe bei der Kontraktion von Muskelfasern. Während einer Muskelkontraktion werden die Aktinfilamente in die Myosinfilament-Zwischenräume gezogen. Dadurch werden die einzelnen Sarkomere kürzer und dicker. Dies ist schön zu sehen auf einer mikroskopischen Vergleichsfotografie isolierter Myofibrillen im Anatomielehrbuch Benninghoff, Drenckhahn (2). Die Verdickung der einzelnen Filamente, Fibrillen, Fasern und Faszikel summiert sich zu einer kontraktionsbegleitenden Muskelbauch-Schwellung. Dieser Schwellungsvorgang tritt konstant und sofort bei jeder Muskelkontraktion auf. Er verschwindet vollständig in der Relaxationsphase.
  2. Der sogenannte Pumpeffekt/Muskelpump (spezifischer Begriff beim Bodybuilding-Sport) (Phase 2 der Druckentwicklung): Die Muskulatur wird von bis zu 3000 Kapillaren pro mm2 Muskelquerschnitt durchzogen (30). 95 % dieser Kapillaren sind im Ruhezustand geschlossen. Bei zunehmender körperlicher Aktivität werden diese 95 % sukzessive geöffnet.
    Mit weiter ansteigender Intensität der Muskelarbeit setzt die Stickstoffmonoxid- Synthese (NO-Synthese) ein. NO vergrößert den Radius der Arterien und reduziert dadurch den Strömungswiderstand. Die Muskeldurchblutung nimmt stark zu und kann etwa das 20-Fache (6) des Ruhewertes erreichen. Die zunehmende Hyperämie lässt das Muskelvolumen um bis zu 20 % anschwellen (8,16). Doch der Pumpeffekt soll nicht nur auf eine reine Hyperämie der Muskulatur zurückzuführen sein, sondern zusätzlich wird ein direktes Anschwellen der zellulären Strukturen diskutiert (31, 32). Die intrazelluläre Verstoffwechselung der Kohlenhydrate produziert Milchsäure und diverse andere Stoffwechselprodukte, die ein Anschwellen der Zellen über osmotische Vorgänge induzieren. Der Pumpeffekt ist eine temporäre, von Intensität und Dauer der Muskelarbeit abhängige, verzögert einsetzende intra- und extrazelluläre vaskulär-metabolische Muskelschwellung (1,16). Im Bodybuilding-Sport entdeckt, wird der Pumpeffekt als direkte Wettkampfvorbereitung vor Wertungsauftritten genutzt.
    Auch Myosonografisch lassen sich diese beiden Schwellungstypen beobachten (26, 31). Im kontrahierenden, erschöpfend belasteten Skelettmuskel schwillt die Querschnittsfläche je nach Muskel mit zunehmender Belastungszeit von 13 % bis über 50 % je nach Autor an (21, 26, 31). Nach Belastungsende finden sich auch am wieder entspannten Muskel größere Muskeldurchmesser als vor der Belastung, die sich über einen durchschnittlichen Zeitraum von 7,5 Minuten zurückentwickeln (31). Bakke et al. berichtete 1996 (1), dass nach intensiver Belastung die Muskeldurchmesser erst nach 20 Minuten wieder auf das Ausgangsniveau zurückkehren. Bei sehr intensiver Belastung kann der Muskel sogar noch 5 Tage später verdickt sein (26).
    Die schematischen Unterschenkelquerschnitte (Abb. 6 und 7) veranschaulichen die Druckentstehung beim schnellen und ausgedehnten Gehen unter den unterschiedlichen Kompressionsmedien.
    (Grafik: M. Holtzmann modifiziert nach H. Gray, Anatomy of the human body, 1918)

    Abb. 6

    Abb. 6: Die nicht elastischen Kompressionsmaterialien liegen wie ein Hydraulikschlauch über einem geschlossenen System. Sie minimieren einen Kraftverlust nach außen.

    Bei einer maximalen Volumenzunahme von 13 % bis über 50 % je nach Autor (21, 26, 31) entwickelt die intermittierende Muskelschwellung (Filament-Gleit-Schwellung, die bei jeder Muskelkontraktion konstant auftritt und die verzögerte, belastungsabhängige Pumpeffekt-Schwellung) eine interne Kompressionskraft, die überall und allseitig unter dem nicht nachgiebigen Verband einen sehr kräftigen, aber kurzen Druckanstieg induziert. Man kann das Geschehen mit einem Verbrennungsmotor vergleichen wobei der nicht nachgiebige Verband den Zylinder darstellt, in dem der Kolben (die Muskulaturschwellung) rhythmisch im Takt des Gehens das Gewebe verdichtet.

    Nicht nachgiebige Systeme haben keine elastische Nachstellfunktion. Je ausgeprägter das Ödem, desto kürzer sollten die Verbandwechsel Intervalle sein. (Grafik: M. Holtzmann modifiziert nach H. Gray, Anatomy of the human body, 1918)

    Abb. 7

    Abb. 7: Hier ist zum Vergleich das Querschnittsbild eines Unterschenkels unter nachgiebiger Kompression dargestellt, bei der eine exogene Kraft die Hauptrolle spielt. Die textilelastische Kompressionskraft wirkt von außen auf das System ein und strebt dessen Verdichtung an. Die Schwellungskräfte der Muskulatur verpuffen größtenteils in der Elastizität des Strumpfes.

Sowohl unter der elastischen Kompression als auch unter der nicht nachgiebigen Kompression sind alle 3 Kraftquellen aktiv. Unter der elastischen Kompression spielt die exogene textilelastische Permanentaußenkraft die Hauptrolle. Die Filament-Gleit-Schwellung und die Pumpeffekt-Schwellung sind zwar auch vorhanden, jedoch wird diese Energie größtenteils von der Elastizität des Kompressionsmaterials aufgefangen und steht damit nicht für einen Druckaufbau zur Verfügung. Je steifer das Kompressionsmaterial, desto kleiner der elastizitätsbedingte Energieverlust nach außen. Selbst einen Fischer-Verband kann man durch Überwickeln mit einer Gipsbinde (vom B-Maß bis D-Maß) noch steifer und damit potenter machen, was wir 2017 mit der Entwicklung des Stiffness Boosters zeigen konnten (19).
Hoher Druck bedeutet hohe Wirksamkeit und damit rasche Entödematisierung. Konsekutiv folgt ein Druckverlust, weshalb wir mindestens zweimal pro Woche unsere nicht elastischen Kompressionsverbände erneut individuell anmodellieren. Nichtsdestotrotz zeigten Mosti und Partsch 2010 (25), dass unelastische Verbände ihre überlegene Wirksamkeit auf die venöse Pumpfunktion trotz eines signifikanten Druckverlustes nach einer Woche Tragezeit beibehalten.

Schlussfolgerung

Unter nicht elastischen Kompressionsmedien geht die Energie aus zwei Kraftquellen (myogene Filament-Gleit-Schwellung und vaso-metabolische Pumpeffekt-Schwellung = Biphasische Druckentwicklung) vollständig in Druckkraft über. Beim schnellen und ausgedehnten (30 min) Gehen entwickeln sich deshalb signifikant höhere Druckamplituden als unter elastischer Kompression. In der liegenden Position ist der Kompressionsdruck nach therapeutischem Gehen (Ruhedruck) nahe Null.
Als Resümee behält der alte phlebologische Leitsatz (15) “Therapie mit nicht nachgiebigen Verbänden und einem Laufprogramm, Halten des Ergebnisses mit Kompressionsstrümpfen” weiterhin seine berechtigte Gültigkeit.

Literatur

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Dr. med. Michael Holtzmann, leitender Arzt der privatärztlichen Ambulanz für Venenheilkunde nach Dr. Heinrich Fischer

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